Grünen-Politiker Wolfgang Wieland ist tot: Seine Rededuelle waren Höhepunkte des parlamentarischen Lebens in Berlin

Grünen-Politiker Wolfgang Wieland ist tot: Seine Rededuelle waren Höhepunkte des parlamentarischen Lebens in Berlin

© imago/Götz Schleser

Grünen-Politiker Wolfgang Wieland ist tot: Seine Rededuelle waren Höhepunkte des parlamentarischen Lebens in Berlin

Der Mitgründer der „Alternativen Liste“ war ein echter Realo, profilierte als Strafverteidiger, Redner und ausgleichender Politiker. Nun ist Wolfgang Wieland mit 75 Jahren gestorben.

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Seinen letzten Großauftrag konnte Wolfgang Wieland nicht mehr so erledigen, wie er es vielleicht gehofft hatte. Sonderermittler im Wirecard-Skandal 2021, das war etwas, was dem gewieften Strafverteidiger und erfahrenen Politiker angemessen war, denn dass er so etwas konnte, hat er über Jahrzehnte immer wieder bewiesen.

Doch hier traf er auf Sicherheitsbehörden, die sich einmauerten, geschwärzte Akten ausgaben und ahnungslos taten, zu wenig für einen detaillierten Bericht. Wieland schloss die Akten mit einem scharfzüngigen Fazit, zog sich dann allmählich zurück, es wurde ruhig um ihn. Am Dienstag ist er im Alter von 75 Jahren gestorben, er hatte die letzten Tage in einem Berliner Hospiz verbracht.

Er war bei der Anti-Schah-Demo dabei

Der gebürtige Berliner, den es zu Schulzeiten nach Frankfurt am Main verschlagen hatte, war ein Linker und wurde ein Grüner, grün schon, bevor es die Partei überhaupt gab. Als einer der ersten 68er in Berlin sah er die Chance, den außerparlamentarischen Protest in die Parlamente zu tragen und gehörte 1978 zu den Mitbegründern der „Alternativen Liste“ (AL), die später in den Grünen aufging.

Als die Proteste in Berlin kulminierten, war er 19, Jura-Student – und Teilnehmer der Anti-Schah-Demonstration am 2. Juni 1967, bei der Benno Ohnesorg starb. Zu jung für die Berliner Anwaltskollektive und ihre dogmatischen Verhärtungen, aber alt genug, um sich zu politisieren und ein Gespür für die Möglichkeiten und Versuchungen im Grenzgebiet von Politik und Recht zu entwickeln.

Ein erster Irrweg führte ihn, wie viele andere 68er, in die maoistische KPD/AO, das ging nicht lange. Stets hielt er intensiven Kontakt mit dem neun Jahre älteren Hans-Christian Ströbele, mit dem zusammen er die neue Partei auf die Beine stellte. Doch dessen asketische, oft bis zu Besessenheit sture Art war ihm fremd, er hätte sich nie zum „Antiimperialisten“ stilisiert und galt früh als einer der ersten Realos seiner Partei, immer ausgleichend, immer auf der Suche nach Kompromissen und Koalitionspartnern.

Justizsenator unter Klaus Wowereit

Von 1987 bis 1989 sowie von 1990 bis 2004 gehörte Wieland dem Berliner Abgeordnetenhaus an. Viele Jahre diente er als Fraktionschef, ein Amt, das ihm wie selbstverständlich zufiel, den grünen Regularien entsprechend im legendären Duo mit Renate Künast. Er hatte sie als Referendarin in seiner Anwaltskanzlei kennengelernt, sie charakterisierte ihn als „witzig, rechtspolitisch klar und pointiert“. Wielands Rededuelle aus der Opposition heraus mit den Regierenden waren Höhepunkte des parlamentarischen Lebens in Berlin.

2001/2002 gehörte er als Justizsenator dem ersten, von der PDS geduldeten Wowereit-Senat an, schied aber aus, als 2002 die Koalition der SPD mit der PDS stand. Auch später im Bundestag von 2005 bis 2013 war er ein schlagfertiger, rhetorisch standsicherer Debattenredner, der seinen analytischen Verstand gern hinter jovialer Oberfläche versteckte und für seine Partei in manchem Untersuchungsausschuss glänzte.

Dabei war diese freundliche Zugewandtheit alles andere als Maske, denn er konnte auch flüchtige Bekannte, Journalisten beispielsweise, in heitere Gespräche verwickeln, zeigte sich als Genießer mit Spaß an gutem Essen und anderen hedonistischen Aspekten des Lebens. Immer gab er sich nahbar, man traf ihn auch in der U-Bahn.

Viele große Mandate begleiteten seinen Lebensweg, oft mit großer Öffentlichkeitswirkung. Im Mykonos-Prozess vertrat er die Überlebenden des iranischen Attentats als Nebenkläger und war Anwalt des türkischen Asylbewerbers Cemal Altun, der sich durch einen Sprung aus dem Fenster des Berliner Verwaltungsgerichts das Leben nahm. Er engagierte sich für die Kriegsgräberfürsorge und war immer ansprechbar, wenn ein durchsetzungsfähiger Jurist für Ehrenämter gesucht wurde, zuletzt 2020 als Ombudsmann im Landesamt für Einwanderung.

Die Berliner Grünen nannten ihn in ihrem Nachruf einen „wundervollen Menschen und leidenschaftlichen Politiker“, einen der „ganz Großen unserer Partei“ und einen jener, „die in der Lage waren, Orientierung zu geben“. Wolfgang Wieland hinterlässt eine Frau und zwei Kinder.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de