Guss der Berlinale-Bären: Wie die Preise des Filmfestivals enstehen

Guss der Berlinale-Bären: Wie die Preise des Filmfestivals enstehen

© Rolf Brockschmidt

Guss der Berlinale-Bären: Wie die Preise des Filmfestivals enstehen

Die Berlinale braucht jedes Jahr neue Trophäen. Sie entstehen seit 51 Jahren in der Bildgießerei Hermann Noack. Ein Ortsbesuch.

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Er ziert sich. Er will nicht aus der Form. Ein Mitarbeiter der Bildgießerei Hermann Noack schlägt mit dem spitzen Hammer den festgebrannten rötlichen Sand weg, greift zur Zange, zieht an dem erstarrten Gusskanal. Gespannt schauen die Berlinale-Chefs Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian und Hermann Noack zu, wie der Bär allmählich aus der Gussform befreit wird.

Rechts vom Gusskanal erkennt man silbrig schimmernd das vertraute Profil des Berlinale-Bären, die rechte Pfote kommt zum Vorschein, der Rest ist noch mit Sand bedeckt. Erleichterung bei den Verantwortlichen des Festivals. Alles gut, der Bär kann auskühlen, bevor er weiter bearbeitet wird.

Seit 51 Jahren gießt Noack die Bären der Bildhauerin Renée Sintenis für die Berlinale. Und jedes Mal ist es ein Abenteuer. Die Bären werden im Sandgussverfahren hergestellt. Bei diesem traditionellen Verfahren geht die Form verloren, das heißt, für jeden Bären muss eine neue Form vom Urmodell, der Mutter aller Bären, hergestellt werden.

Und das allein ist eine aufwändige Arbeit, die etwa 14 Stunden dauert. Dabei wird auf das Modell roter tonhaltiger Flusssand aus Sachsen gedrückt und genau in der Mitte geteilt. In einer rechteckigen Eisenform fixiert man diesen Negativabdruck mit Sand, der dann mit einem Metallklöppel festgeklopft und mit Stäbchen fixiert wird, damit die zweite Hälfte passt. Der „Deckel“ der Form wird genauso mit Sand präpariert.

Auf 1250 Grad wird die Bronze erhitzt

Über die erste Hälfte wird nun Magnesiumoxid als Trennmittel gestreut. Dann drückt man Sand in die so gewonnene Form und klopft ihn fest, bis man ein erhabenes Relief mit dem jeweils halben Bären herauslösen kann. Da der Bär hohl mit einer Wandstärke zwischen vier und acht Millimetern gegossen wird, muss für den Guss etwas vom Sandrelief abgeschält werden. Der so reduzierte Abdruck bildet zusammen den Kern, der mithilfe der Stäbe in der größeren Form schwebt. Es werden nun Kanäle für den Guss gelegt.

Einen Tag lang ruht die Form in einem Trockenofen. Dann wird die Bronze in einem großen Tiegel in dem Ofen, der in den Boden der Gießerei eingelassen ist, auf 1250 Grad erhitzt.

Guss der Berlinale-Bären: Wie die Preise des Filmfestivals enstehen

Der Rohguss eines Berlinale-Bären.

© dpa/Jens Kalaene

Das Gießen der Bären ist immer ein Spektakel, die Berlinale bittet Kamerateams und Fotografen zum Fototermin in die Gießerei. Zwei Bärenformen stehen bereit, dazu zwei weitere kleine Boxen für die Berlinale-Plaketten für die Sieger der Encounters-Sektion.

Zwei Mitarbeiter in silbernen Schutzanzügen mit Helm und Visier heben mit Hilfe einer großen Kneifzange an einem Flaschenzug den rotgelb glühenden Tiegel mit der flüssigen Bronze aus dem Ofen. Ein wenig Bronze wird wie Rahm auf der Milch abgeschöpft. Dann heben die beiden Männer den Tiegel in ein Geschirr mit einer langen Stange und einem Kranz in der Mitte. Mit einem Kran wird der Tiegel angehoben und zu den Formen gelenkt. Nun drehen die beiden Männer an der Stange den Tiegel und gießen Bronze in das kleine Loch in der Bärenform.

50Arbeitsstunden stecken in jedem Bär

Rotgelbe Spritzer fließen bei der ersten Form wie Lava an der Eisenform herunter, die Bronze hat sich nun um 100 Grad auf 1150 Grad Celsius „abgekühlt“. Bei der zweiten Form geht nichts mehr daneben. Die flüssige Bronze ist aber immer noch goldgelb, der Tiegel hat sich an der Luft schon etwas abgekühlt und wird immer dunkler. Die Hitze ist auch aus der Entfernung noch spürbar. Die beiden Gießer leisten Maßarbeit, zielen genau und drehen scheinbar ganz leicht den Tiegel an der Stange, bis die Bronze fließt. Schließlich werden noch fünf andere Formen gefüllt. Der Rest wird in Barrenformen für den nächsten Auftrag gegossen.

Guss der Berlinale-Bären: Wie die Preise des Filmfestivals enstehen

Das Leitungs-Duo der Berlinale, Carlo Chatrian, künstlerischer Direktor, und Mariette Rissenbeek, Geschäftsführerin, halten in der Bildgießerei Hermann Noack Berlinale-Bären.

© dpa/Christoph Soeder

Inzwischen sind die Bärenformen so weit erkaltet, dass ein Mitarbeiter die Schraubzwingen entfernt. Dann öffnet er die Form. Ein Bein und eine Pfote schimmern silbrig durch den roten Sand. Mit der Spitze eines Zimmermannhammers schlägt der Mitarbeiter in die harte Sandform, um den Guss zu lösen.

Danach geht es ein Stockwerk höher zum Ziselieren. Durch ein Loch im Körper wurde vorher der Sand aus der Hohlform herausgepuhlt, beim Galvanisieren könnte er sonst später unerwünschte chemische Reaktionen auslösen. Florian Lakotta arbeitet mit einem kleinen Meißel das Fell des Bären nach, der in einen Schraubstock eingespannt ist. Zehn Stunden dauere diese Feinarbeit, bevor der Bär dann noch poliert und silbern und golden galvanisiert werde, sagt er. 40 bis 50 Bären hat Lakotta schon seit seiner Ausbildung bearbeitet.

Vier Bären stehen noch im neutralen gelblichen Bronzeglanz auf dem Tisch. Wer wird wohl der Goldene Bär werden? Wer wird ihn bekommen? Ein goldener Bär wiegt 3,5 Kilo, ein silberner 2,5 Kilo. Insgesamt dauert es bis zu 50 Arbeitsstunden, verteilt über vier bis sechs Wochen, bis ein einziger Bär fertiggestellt ist. „Für mich strahlt der Bär Stärke und Liebe aus“, sagt Mariette Rissenbeek mit Blick auf die Bären, „und ich finde es bemerkenswert, dass er von einer Künstlerin geschaffen wurde.“

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de