Ungezügelte Angriffslust beim Kanzler: Merz macht im Bundestag den Scholz, Scholz den Merz

Ungezügelte Angriffslust beim Kanzler: Merz macht im Bundestag den Scholz, Scholz den Merz

© REUTERS/Fabrizio Bensch

Ungezügelte Angriffslust beim Kanzler: Merz macht im Bundestag den Scholz, Scholz den Merz

Unter umgekehrten Vorzeichen haben sich der Regierungschef und der Oppositionsführer im Bundestag duelliert. Beide stehen intern unter großem Druck, sich verändern zu müssen – in entgegengesetzte Richtungen.

Ein Kommentar von

Ein paar Frontalattacken sind durchaus in Erinnerung geblieben. „Sie können es nicht“, hielt der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz dem SPD-Kanzler Olaf Scholz im Herbst vor. Als „Klempner der Macht“ verhöhnte der Oppositionschef den Regierungschef.

Dass beim ersten parlamentarischen Rededuell des Jahres ein anderer Merz zu erleben war, hat einen guten Grund. Auch in der Union ging vielen das „Bashing“ von Scholz und seiner Ampel zuletzt zu weit.

Eine Unfähige-Versager-Rhetorik – so wurde es auf der CDU-Klausur vor knapp drei Wochen in Heidelberg diskutiert – könne bei denen einzahlen, die am liebsten das ganze demokratische Parteiensystem entsorgen wollen. Merz muss sich diese indirekte interne Kritik zu Herzen nehmen, wenn er seine eigenen Kanzlerkandidatenambitionen nicht selbst torpedieren will.

Merz staatsmännisch zu Europa

Harte Kritik ja, respektlose Attacken nein – diese neue Linie hat Merz beim Auftritt am Mittwoch gut hinbekommen. Für unfähig hält Merz Scholz immer noch, er kleidete das jedoch in schönere Worte. Geradezu staatsmännisch wirkte sein europapolitisches Entrée. Sein Vorschlag, das Weimarer Dreieck mit Deutschland, Frankreich und Polen mit seiner neuen Regierung müsse eine neue europäische Sicherheitspolitik entwerfen, ist richtig und wichtig.

Olaf Scholz hat sich in dieser Debatte genau in die andere Richtung entwickelt. Das Abwägen großer schwieriger Fragen, mit dem die eigenen Leute den Kanzler bisher vermarkteten, wurde abgelöst von ungezügelter Angriffslust. Grund sind natürlich die miserablen Umfragewerte. Sogar die eigenen Genossen hatten ihm zuletzt vorgehalten, zu lahm und mit zu wenig Herzblut die eigene Politik zu vertreten. Vor allem für sie holte Scholz nun zum verbalen Gegenschlag aus.

Scholz wirft den Fehdehandschuh

Die Selbstvergewisserung, dass nicht alles schlecht ist an der Ampel und bei den Erneuerbaren Energien oder der Fachkräftezuwanderung auch wichtige Weichen für die Zukunft gestellt wurden, aber reicht nicht. So wie das Ausmaß von Problemen gelegentlich etwas kleiner ist als von der Opposition beschrieben, neigt die Regierung dazu, sie kleinzureden. Dass etwa die Bund-Länder-Beschlüsse zur Migration alle „abgearbeitet“ seien, gehört ins Reich der Legendenbildung.

Nun mögen Kanzler und Möchtegernkanzler in den eigenen Reihen dafür gefeiert werden, dass sie ihre jeweils neuen Kommunikationsstrategien am Dienstag umsetzen konnten. Ob damit aber wirklich dem Land gedient ist, steht auf einem anderen Blatt.

Angesichts vieler großer Herausforderungen, nicht zuletzt dem großen Zulauf für eine mindestens in Teilen rechtsextreme Partei, müssten die Regierung und die größte Oppositionspartei zumindest in manchen Punkten zusammenarbeiten. Scholz und Merz aber können nicht mehr miteinander. Merz hat im Herbst öffentlich den Fehdehandschuh hingeworfen, Scholz an diesem Mittwoch.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de