Gestank in der Stadt: Gebt Geruchs-Freiheit

Gestank in der Stadt: Gebt Geruchs-Freiheit

© dpa/Patrick Pleul

Gestank in der Stadt: Gebt Geruchs-Freiheit

Rauchen in der Öffentlichkeit – ob Tabak oder Cannabis – hat auch Konsequenzen für die Mitmenschen, olfaktorische nämlich. Unser Autor wünscht sich mehr Rücksichtnahme.

Gestank in der Stadt: Gebt Geruchs-Freiheit

Ein Kommentar von Nikolaus Bernau

Wer durch Berlin oder sonst irgendeine deutsche Stadt geht, sei sie groß oder klein, Ost oder West, hat oft schwere süßliche Düfte in der Nase. Auch in idyllischen Hauptstadt-Vororten wie Frohnau, Treptow oder Mariendorf wehen sie über Schottergärten und Bierkisten in der Garage. Experten können sogar bei nur zarten Duftschlieren genaue Hanf-Sorten beschreiben, jener edlen Pflanze, die seit Jahrtausenden vor allem zu Seilen und Tauen, aber auch Textilien und Medikamenten verarbeitet wird.

Bald nun soll nicht nur der Gebrauch, sondern auch der Verkauf von Rauch-Cannabis legalisiert werden. Man kann durchaus fragen, ob das Thema politisch vordringlich ist, wo doch von Kriegen, Klimawandel, Artenschwund bis rechtsradikalen Machtansprüchen reichlich Probleme zu lösen sind. Andererseits ist auch die Frage durchaus berechtigt: Was geht den Staat an, wie sich als Erwachsen bezeichnete Menschen hinter ihrer Haustür das Gehirn vernebeln? Alleine der Kinder- und Jugendschutz muss hier greifen, und zwar unbedingt.

Es gibt kein Recht auf die Dunstglocke

Aber warum für Cannabis andere Besitz- und Nutzungs-Gesetze als vor allem für die Rauschmittel Alkohol und Tabak gelten, hat nie jemand wirklich begründen können: Alkohol und zumal Tabak sind selbst in geringen Dosen mindestens so gesundheitsschädigend und sozial problematisch wie der Konsum von Cannabis. Und das stimmt wenigstens meistens eher friedlich als aggressiv. 

Dennoch warben bis vor drei Jahren auf deutschen Straßen noch Plakate für das Suchtmittel Tabak, sind Plakate für „E-Zigaretten“ immer noch überall zu sehen. In Kinos laufen Werbefilme, die oft reichlich chauvinistisch aufgeladene „Entspannung“ durch Alkohol versprechen – Modell: Mann kommt aus dem grauen Alltag nach Hause, freut sich, dass seine Frau die Kinder wegbringt, kippt ein Bier, worauf die Welt bunt wird. In jedem Supermarkt erhält man harten Alkohol und Tabak, und wer Abends „nur“ ein Glas Wasser haben will, gilt oft als Exot.

Da erscheint die Einrichtung von speziellen Verkaufsstellen für Cannabis, die Freigabe von 25 Gramm, sein Verkauf bis zu dieser Grenze keineswegs eine „radikale“ Liberalisierung. Und wer nun der Jugendschutz eingefordert, weil die Konzentration leide, auch der Sex, weil Psychosen drohen, das menschliche Gehirn eben erst mit 25 Jahren ausgereift sei – pardon, gilt das nicht auch für alle anderen, bisher allein legalen Rauschmittel?

Aber dieser Duft. Oder Gestank. Je nach Perspektive. Er zeigt ja, dass Teile der Rauschmittel in der Luft weiter wirken, und zwar auf alle. In der Öffentlichkeit zu rauchen, egal was, ist also oft durchaus eine Machtgeste: Meine Dunstglocke ist wichtiger als dein Anspruch auf Dunst-Freiheit. Schleich dich. Dieses Problem aber ist gesetzlich nur sehr bedingt zu regeln. Da ist einfach Rücksicht gefordert, und zwar von denen, die unbedingt rauchen wollen.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de