Warum aus Fleischessern Veganer werden

Rund drei Prozent der Deutschen ernähren sich vegan. Auch Prominente wie der MMA-Kampfsportler Stephan Pütz und der Influencer Aljosha Muttardi gehören dazu.

Grünkohl mit Tofu-Krackern – das ist momentan das Lieblingsgericht des Frankfurter MMA-Kampfsportlers Stephan Pütz. Der 36-Jährige ernährt sich seit Anfang des Jahres vegan. „Die pflanzliche Ernährung hilft mir dabei, ein höheres Volumen an Training zu absolvieren. Meine Kraftwerte haben sich verbessert“, sagt Pütz. Nach einer Verletzungsserie habe er gemerkt, dass sein Körper dank der veganen Ernährung viel schneller regeneriert.

Pütz trainiert und isst sehr diszipliniert, um sich fit zu halten. Das fängt schon beim Einkaufen an: Der Athlet kauft am liebsten in Naturkostläden und Bio-Höfen ein. „Ich bin ein Fan von pestizidfreier Nahrungszufuhr und schaue, dass ich so natürlich, saisonal und regional esse wie nur möglich.“ Um als Kampfsportler seine Proteinzufuhr sicherzustellen, setzt er auch auf Hülsenfrüchte, zum Beispiel Sojabohnen.

Seine Tierliebe spiegelt sich nicht nur bei der Ernährung wider. Zusammen mit seiner Frau kümmert sich Pütz um Minischweine, die im Frankfurter Umland im Wald ausgesetzt wurden. Sie versorgen sie jetzt in einem Gehege. „Wir haben auch mehreren Hunden ein neues Zuhause gegeben“, sagt er.Zehn Millionen Menschen in Deutschland verzichten auf FleischIm Spitzensport mag Pütz mit seiner veganen Ernährung noch eine Ausnahme sein. In der Gesellschaft ersetzen inzwischen schon viele Verbraucherinnen und Verbraucher Fleisch, Fisch und Eier durch Tofu, Sojabratlinge und Gemüse. Eine Forsa-Umfrage aus dem September 2023 besagt, dass in Deutschland inzwischen drei Prozent der Menschen vegan leben. Neun Prozent sind Vegetarierinnen und Vegetarier. Sprich: Rund zehn Millionen Menschen hierzulande verzichten inzwischen auf Fleisch.Auch der Hamburger Influencer Aljosha Muttardi tut dies. Bei ihm spielen ethische Gründe eine Rolle. Vor allem die Massentierhaltung macht dem 36-Jährigen zu schaffen. „Wir sollten nicht an einem System festhalten, das auf Gewalt beruht. Sondern uns fragen: Wie können wir es besser machen?“, sagt der Veganer.

Influencer Muttardi: Mit wenig Aufwand etwas Gutes tunAuf Instagram und Youtube setzt sich der queere Aktivist und Arzt unter anderem für Veganismus, Antirassismus und mentale Gesundheit ein. Das war nicht immer so: „Für mich war Fleisch früher Standard. Es gab kein Gericht ohne Fleisch.“ Ein Video über Massentierhaltung habe sein Essverhalten schlagartig verändert. „Das war so eine Art Schnelldurchlauf durch alle Industrien. Fleisch, Fisch, Eier, Hühner. Und ich habe nur geheult.“Mit veganer Ernährung lässt sich seiner Meinung nach mit wenig Aufwand etwas Gutes tun. „Ich sehe keinen Nachteil an dem Gedanken, dass wir in einer Welt leben, in der wir respektvoll mit allen Lebewesen umgehen“, sagt er.Klimaschutz gibt Veganismus neuen DriveDie Klimaschutzbewegung gibt dem Veganismus, der am 1. November mit einem Weltvegantag gewürdigt wird, noch einen neuen Drive. Denn wer keine Fleisch- und Milchprodukte isst, hilft mit, CO2 und andere klimaschädliche Gase einzusparen: Rund 15 Prozent aller vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen gehen auf das Konto der Nutztierhaltung, wie die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen mitteilt.Eine Ernährungswende könnte also auch eine Agrarwende nach sich ziehen: Denn für das Futter von Nutztieren wird auch hierzulande gesät, gedüngt und gespritzt. Dadurch entstehen Treibhausgase. Beim Düngen mit Gülle entsteht etwa Lachgas – das ist wesentlich klimaschädlicher als CO2. Für die Nutztierhaltung wird zudem Regenwald gerodet. Und auch Rinder selbst sind Klimasünder, denn bei ihrer Verdauung entsteht klimaschädliches Methan.Veganismus als VerzichtsstrategieWie eng Ernährung und Klimaschutz miteinander verknüpft sind, weiß auch Ilja Steffelbauer, Wissenschaftler an der Universität für Weiterbildung Krems in Österreich. „Die heutige Debatte über Fleischkonsum und Fleischverzicht hat sich verbunden mit kritischen Debatten unserer Zeit. Die wesentliche Debatte ist die des Klimaschutzes“, meint er.

Für Steffelbauer, der zur Geschichte des Fleischessens forscht, steht fest: „Beim Essen geht es ums Eingemachte. Es geht um sehr viel mehr als nur um eine Pragmatik, was wir konsumieren sollen.“ Das, was man isst, sei schon immer massiv mit der eigenen Identität verbunden gewesen.“Den Veganismus als Verzichtsstrategie“ sieht er als eine Strategie, die für bestimmte gesellschaftliche Schichten eine Option ist, um zu demonstrieren, dass sie diese Themen ernst nehmen. Als globale Lösung sei eine Ernährungsumstellung aber bei weitem nicht ausreichend. „Da müssten wir unsere Wirtschaft und die damit verbundenen kulturellen Praktiken radikal umstellen“, ist Steffelbauer überzeugt. Da reiche es nicht, auf eine Leberkäs-Semmel zu verzichten.