Bundesinnenministerium darf Textpassagen zu Henryk M. Broder nicht veröffentlichen

In einer Studie über Muslimfeindlichkeit nannte das Innenministerium als Beispiel einen Text von Henryk M. Broder für den SPIEGEL. Der Autor sah sich auf unsachliche Weise angegriffen und bekam nun Recht.

Im Streit um die Veröffentlichung von Äußerungen des Publizisten Henryk M. Broder muss das Bundesinnenministerium (BMI) Textpassagen von seiner Homepage nehmen. Das hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) entschieden, wie Broders Anwalt, Joachim Nikolaus Steinhöfel, am Sonntag mitteilte. Zuvor hatte die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« darüber berichtet.

Darum geht es: Nach dem Anschlag von Hanau im Februar 2020, bei dem neun Menschen aus rassistischen Motiven getötet wurden, richtete das BMI einen Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit (UEM) ein. Dieser erstellte eine Studie, die unter dem Titel »Muslimfeindlichkeit – Eine deutsche Bilanz 2023« auf der Seite des Ministeriums online ging. In dem Kontext wurde eine strittige Textpassage von Broder veröffentlicht – wogegen er sich wehrte.

»Uneingeschränkte Meinungsfreiheit« vs. »Dämonisierung« von Muslimen
Denn dort sei unter anderem behauptet worden, er habe sich 2010 in einem Artikel für den SPIEGEL für »eine uneingeschränkte Anwendung der Meinungsfreiheit« starkgemacht, »während er Aufrufe zur Deeskalation und Rücksichtnahme offen verhöhnte und Muslim*innen pauschal als unwissende, ehrversessene, blutrünstige Horden dämonisierte«. Broder sieht sich durch die Textpassagen des BMI auf unsachliche Weise angegriffen.

In dem Beitrag »Im Mauseloch der Angst« diskutierte Broder die Reaktionen westlicher Länder auf etwa Mohammed-Karikaturen. In dem Zusammenhang schrieb er über das Attentat auf den dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard – das sei nicht der erste Versuch gewesen, eine »tödliche Fatwa zu vollstrecken«, so Broder. Zu der Veröffentlichung von Salman Rushdies Roman »Die satanischen Verse« im Jahr 1988 schrieb er: »Millionen von Muslimen in aller Welt, die keine Zeile des Buches gelesen und den Namen noch nie gehört hatten, wollten das Todesurteil gegen den Autor vollstreckt sehen, je schneller, desto besser, um mit seinem Blut die beschmutzte Ehre des Propheten wieder reinzuwaschen.«

Gericht: Keine »amtliche« Position
Aus Sicht des Gerichts stellt der Bericht des Expertenkreises einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht Broders dar. Die Einschätzung sei zwar erlaubt. Das Ministerium müsse jedoch deutlich machen, dass es sich nicht um eine »amtliche« Position handele. Das BMI habe eine Pflicht zur Sachlichkeit. Dieser sei es nicht gerecht geworden, heißt es in dem OVG-Beschluss. Vielmehr sei das Dokument mit dem BMI-Logo versehen und Bundesinnenministerin Nancy Faeser spreche im Vorwort davon, es gelte, sich mit den Empfehlungen der Experten ernsthaft auseinanderzusetzen.

Das OVG hob mit seinem Beschluss im Eilverfahren eine Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts auf. (OVG 9 S 20/23). Broders Anwalt Steinhöfel warte nun auf eine Erklärung des BMI zur Anerkenntnis der Entscheidung. »Wenn das nicht kommt, klagen wir«, so der Jurist.

»Wir werten die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts derzeit aus«, zitierte die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« unterdessen eine Sprecherin des Ministeriums. Der Bericht des Expertenkreises sei von der Website des Ministeriums genommen worden.