Die neue EU-Gebäuderichtlinie: Was Immobilienbesitzer jetzt wissen sollten

Die neue EU-Gebäuderichtlinie: Was Immobilienbesitzer jetzt wissen sollten

© dpa/Ralf Hirschberger

Die EU hat sich auf eine neue Gebäuderichtlinie geeinigt. Wohnimmobilien sollen dadurch energieeffizienter werden. Was das für Eigentümer bedeutet und wer sich auf eine Sanierung einstellen sollte.

Von Christian Schnell

Lange wurde auf europäischer Ebene darum gerungen, nun herrscht Klarheit: Die Europäische Union (EU) wird in ihrer künftigen Gebäuderichtlinie keine Sanierungspflicht für die energetisch am schlechtesten ausgestatteten Wohngebäude vorschreiben.

Dennoch müssen sich Hausbesitzer in den kommenden Jahren auf Veränderungen einstellen. Zwar sind konkrete Einzelmaßnahmen frühestens in einem Jahr zu erwarten, dennoch lässt sich jetzt bereits sagen: Wer als Besitzer einer besonders energieineffizienten Immobilie nun schon Heizung, Fenster oder Fassade erneuert, der nimmt vieles vorweg, wozu er in den kommenden Jahren womöglich verpflichtet werden könnte. Lesen Sie hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

EU-Gebäuderichtlinie: Welche Regeln gelten ab wann?

Statt auf die jeweilige Energieeffizienz einzelner Wohngebäude zielt die neue Einigung auf den Gesamtbestand ab. Nun gilt: Bis 2030 soll der durchschnittliche Primärenergieverbrauch bei Wohngebäuden in Deutschland um mindestens 16 Prozent sinken, bis 2035 um 20 bis 22 Prozent.

16 %geringer soll der durchschnittliche Primärenergieverbrauch bei Wohngebäuden in Deutschland bis 2030 ausfallen.

Damit sind frühere, deutlich härtere Vorschläge vom Tisch, etwa, dass bis 2030 alle Häuser mindestens den Energiestandard E und bis 2033 mindestens die mittlere Energieeffizienzklasse D erreichen müssen. Diese Vorgabe hätte vor allem Besitzer von Häusern der schlechtesten Energieklassen stärker getroffen.

Was ist der Primärenergieverbrauch und wie hoch war er zuletzt?

Zum Primärenergieverbrauch zählen neben der Raumwärme auch Warmwasser, Klimakälte und die Beleuchtung. Die Deutsche Energie-Agentur (dena) hatte in ihrem Gebäudereport den Primärenergieverbrauch aller deutschen Wohngebäude im Jahr 2021 mit 911 Terawattstunden (TWh) beziffert. Würde man diesen bis 2030 um 16 Prozent reduzieren, läge er noch bei 765 TWh.

„Dieser Wert dürfte jedoch noch etwas niedriger ausfallen, da der Primärenergieverbrauch in den vergangenen Jahren im Trend abnehmend war“, schreibt Jakob Grimm, Referent für Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik bei Haus & Grund, in der Zeitschrift des Eigentümerverbands.

Ältere Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanz zeigen ebenfalls, dass der Endenergieverbrauch der deutschen Haushalte seit Jahren sinkt. Im Zeitraum zwischen 2005 und 2014 ging er den Berechnungen zufolge um 24 Prozent zurück.

Sind die neuen Ziele der EU-Gebäuderichtlinie gut erreichbar?

Tendenziell ja. Zumal es mit dem von der Bundesregierung beschlossenen Gebäudeenergiegesetz (GEG) Vorgaben gibt, die ebenfalls darauf abzielen, Wohngebäude energieeffizienter zu gestalten. Allerdings sollte dabei bedacht werden, dass in den vergangenen Jahren schon Sanierungsmaßnahmen durchgeführt wurden, die schnelle und einfache Ergebnisse zeigten. Im weiteren Verlauf dürfte das schwieriger werden.

55 %der geplanten Energieeinsparungen sollen durch die Sanierung ineffizienter Gebäude zustande kommen.

„Es wird also von Jahr zu Jahr teurer und komplizierter, weitere Fortschritte zu erreichen“, so Haus-&-Grund-Experte Grimm. Deswegen hält er es zum jetzigen Zeitpunkt für schwer abschätzbar, ob in einem zweiten Schritt die Absenkung um 20 bis 22 Prozent bis ins Jahr 2035 realistisch ist.

Was bedeutet die EU-Gebäuderichtlinie künftig für Immobilien?

Genaues lässt sich dazu noch nicht sagen, es zeigen sich jedoch Tendenzen. Denn der ursprüngliche Ansatz, ineffiziente Wohngebäude zu renovieren, bleibt. So sollen 55 Prozent der erstrebten Einsparungen erreicht werden. Woher die verbleibenden 45 Prozent kommen sollen, bleibt jedem Mitgliedstaat der EU überlassen.

Wo ist der Sanierungsbedarf am größten?

Rund 15 Prozent der deutschen Wohnimmobilien sind in der schlechtesten europäischen Energieeffizienzklasse G eingestuft. Laut der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE e.V.) sind das rund 2,4 Millionen Wohngebäude. Absehbar ist, dass diese besonders in den Blickpunkt der Politik rücken dürften.

Die ARGE-Experten haben anhand der Zahlen von 2022 berechnet, welche Investitionen notwendig wären, um all diese Gebäude zumindest teilweise zu sanieren. Demnach würden pro Jahr mindestens 17,2 Milliarden Euro gebraucht, in der Summe wären dies bis 2030 Gesamtaufwendungen von 137,6 Milliarden Euro. Pro Gebäude fielen somit im Schnitt Kosten von 57.333 Euro an.

EU-Gebäuderichtlinie: Wie geht es nun weiter?

Europaparlament und EU-Rat müssen dem Kompromiss noch formal zustimmen. Beobachter gehen davon aus, dass dies im ersten Quartal passieren wird. Danach beginnt die Umsetzung in nationales Recht. Hierbei bleibt es den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen, wie sie die vorgegebenen Ziele erreichen wollen.

Die Zeit drängt, trotzdem stellt sich die Frage, ob es hierzu noch Beschlüsse der jetzigen Bundesregierung oder erst von der nachfolgenden Regierung geben wird.

Inka-Marie Storm, Chefjustiziarin von Haus & Grund

„Die Zeit drängt, trotzdem stellt sich die Frage, ob es hierzu noch Beschlüsse der jetzigen Bundesregierung oder erst von der nachfolgenden Regierung geben wird“, sagt Inka-Marie Storm, Chefjustiziarin von Haus & Grund. Die laufende Legislaturperiode endet im Herbst 2025.

Im Gespräch sind bisher Ausnahmen für Ferienimmobilien und besonders kleine Häuser. Auch für Senioren und sozial schlechter gestellte Personen soll es Erleichterungen geben. Schon jetzt scheint festzustehen: In zwei bis drei Jahren werden viele deutsche Hausbesitzer vor Herausforderungen stehen. Denn sind die europäischen Vorgaben erst in nationales Recht umgesetzt, wird es ernst. Heizungsanlagen, Dämmung, Fenster und Türen stehen dann wohl vor der Überprüfung. Stets geht es um die Frage: Wo verpufft besonders viel Energie und wie kann dies wirksam reduziert werden.

Welche Energieeffizienzklasse hat meine Immobilie?

Die Energieeffizienzklasse einer Immobilie steht im Energieausweis. Einen solchen haben Hausbesitzer allerdings meist nur dann, wenn ein Haus gebaut, verkauft, vermietet oder saniert wird. Dann erstellen Ingenieure, Handwerker und Architekten den Ausweis, der zehn Jahre gültig ist.

Es gibt zwei Varianten: Zum einen den Verbrauchsausweis, bei dem es genügt, dem Aussteller die letzten drei Energierechnungen sowie Eckdaten und Fotos vom Haus zu übermitteln. Solch ein Ausweis kostet etwa 100 Euro.

Wurde der Bauantrag für ein Haus vor November 1977 gestellt oder wird ein Haus saniert oder angebaut, dann kommt der sogenannte Bedarfsausweis zum Einsatz. Häufig bieten diesen der Architekt oder die beauftragte Baufirma zusammen mit ihren Planungs- und Bauleistungen an.

Wie kann ich mich auf eine energetische Sanierung vorbereiten?

Der Energieausweis enthält den Energieverbrauch pro Quadratmeter Nutzfläche. Daraus lassen sich die Effizienzklassen ableiten, die in Deutschland von A bis H reichen. Er enthält zudem stichpunktartig Hinweise zu sinnvollen Modernisierungen.

Den energetischen Zustand des Gebäudes bewertet ein Energieberater detailliert – und zeigt, wie aus einem Gebäude ein Effizienzhaus wird. Wie teuer die einzelnen Maßnahmen voraussichtlich sind, zu welchen Einsparungen sie führen und welche Fördermittel bereitstehen, fasst er im individuellen Sanierungsfahrplan (iSFP) zusammen.

Dieser Artikel erschien zuerst im Handelsblatt.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de