„Ich bin Busfahrerin aus Leidenschaft“: Petra Roth liebt ihren Job – und unterstützt den Streik trotzdem

„Ich bin Busfahrerin aus Leidenschaft“: Petra Roth liebt ihren Job – und unterstützt den Streik trotzdem

© Wiebke Geßner

„Ich bin Busfahrerin aus Leidenschaft“: Petra Roth liebt ihren Job – und unterstützt den Streik trotzdem

Petra Roth fährt seit 15 Jahren Bus in Berlin. Sie liebt ihren Beruf – hadert aber mit den Arbeitsbedingungen. Bei einer Fahrt durch die Stadt erzählt sie von ihrem Alltag bei der BVG.

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Auch Busfahrerinnen müssen mal auf den Bus warten. „15 Minuten Verspätung“, liest Petra Roth vom Bildschirm der Bushaltestelle am Betriebshof Lichtenberg ab. Es nieselt. Mit Petra Roth stehen einige Fahrgäste an der Haltestelle. Sie bleibt entspannt. Verspätung hin oder her, ändern könne man das jetzt eh nicht. Seit 15 Jahren macht sie den Job jetzt schon, im März werden es 16. „Ich mache das mit Leidenschaft“, sagt die 39-Jährige und nimmt einen Schluck von ihrem großen Latte Macchiato, den sie an der Tankstelle gegenüber gekauft hat.

Wenn ihre Kolleginnen und Kollegen am Freitag streiken, hat sie Urlaub. Die Kita hat zu, sagt Roth. Sonst wäre sie auch dabei. Die Gewerkschaft Verdi ruft die Mitarbeiter der Berliner Verkehrsbetriebe zum Streik auf. Sie fordert unter anderem 33 Urlaubstage für alle Beschäftigten und die Reduzierung der unbezahlten Pausen auf maximal 30 Minuten pro Schicht. Kurz: Die Angestellten wollen nicht mehr Geld, sondern bessere Arbeitsbedingungen.

„Ernsthaft, wer will den Job denn noch machen?“, sagt Petra Roth. 350 Busfahrer und Busfahrerinnen fehlen derzeit in Berlin. Das liegt laut Roth daran, dass der Beruf unattraktiv sei. Die wenigen Berufseinsteiger wüssten oft nicht, worauf sie sich einließen. „Wir haben 24/7 Betrieb, irgendwer muss dit ja auch alles fahren.“ Für die Busfahrerinnen und Busfahrer heißt das: Schichtbetrieb und Arbeit am Wochenende. Sie haben einen anderen Tagesablauf als viele andere.

Beim Streik bleibt die Schranke des Betriebshofs zu, sagt die Busfahrerin mit den kirschroten Haaren und Berliner Dialekt. „Dann tanzen wir zu Schichtbeginn an und versammeln uns davor.“

An einem regulären Arbeitstag klingelt Petra Roths Wecker um fünf. Ihre Schicht beginnt um 7.04 Uhr. Dann startet sie die erste Runde mit der Linie 197, vom Prerower Platz bis Kaulsdorf. Normalerweise wechselt sie dann um 9.17 Uhr die Linie und fährt drei Runden mit der Linie 240 zwischen Storkower Straße und Ostbahnhof.

Ernsthaft, wer will den Job denn noch machen?

Petra Roth, Busfahrerin

Als der Bus der Linie 240 an diesem Morgen um 9.35 Uhr mit 18 Minuten Verspätung an der Bushaltestelle des Betriebshofs eintrifft, ist Petra Roths Arbeitstag also schon in vollem Gange. Ihr Kollege steigt aus, ein Stop-and-Go auf der Marktstraße habe ihn abgehalten. Roth übernimmt den 18-Meter-Gelenkbus, einen „Schlenki“, wie sie sagt. Sie hängt ihre Jacke auf, verstaut die pinke Brotdose und tritt aufs Gas. Leises Fluchen kommt aus der Fahrerkabine, der Kollege hat die Displays auf Russisch gestellt.  

Auf dem rechten Bildschirm werden ihr die kommenden Stationen mit den ursprünglichen Fahrzeiten angezeigt. Über ihr hängt ein Monitor und zeigt, was im Fahrgastraum passiert. Andere Bildschirme helfen ihr, die Abstände zu anderen Fahrzeugen im Blick zu behalten. Ein Navi ist nicht dabei. Wer die Linien noch nicht auswendig kennt, muss mit Karte fahren. „Der Job braucht volle Konzentration. Ich muss die ganze Zeit alles im Blick behalten.“

Langeweile kennt sie nicht, nervige Situationen schon

Petra Roth kommt aus einer Busfahrer-Familie. Ihr Vater machte den Job bis zur Rente, ihr Bruder ist noch dabei. „Ich fand das als Kind immer komisch, wenn mein Papa im Sessel eingeschlafen ist, jetzt kann ich das verstehen“, sagt sie. Man sei am Ende einer Schicht geistig erschöpft.

„Ich bin Busfahrerin aus Leidenschaft“: Petra Roth liebt ihren Job – und unterstützt den Streik trotzdem

© picture alliance/dpa/Paul Zinken

Roth kennt ihre Linien in- und auswendig. Sie weiß, welche Läden neu sind, welche Fortschritte es auf den Baustellen gibt. Sie fährt an die Haltestelle heran. Während sie noch bremst, liegen Zeige- und Mittelfinger mit Gelnägeln auf den beiden roten Knöpfen neben dem Lenkrad. Sobald der „Schlenki“ steht, drückt sie. Die Türen öffnen sich.

Sie könnte das auch automatisch machen lassen. Der Vorteil der Knöpfe sei aber, dass sie kontrollieren könne, wann die Türen zugehen. Nämlich, wenn wirklich kein Fahrgast mehr kommt. „Außerdem hab‘ ich dann was zu tun“, sagt sie. Ob ihr manchmal langweilig wird? „Nein. Aber klar, man gewöhnt sich an die Linie und an die Fahrgäste“, antwortet Roth. Die meisten kenne sie vom Sehen.

Und auch die nervigen Situationen kennt sie. Bei ihr darf man nicht vorne aussteigen. Als eine Frau mit Kind sich vor die Vordertür stellt, schickt Roth sie zurück hinter die gelbe Linie, bis der Bus steht. „Vorne ist nur Einstieg. Da bin ick renitent“, sagt sie, „außer man fragt mich nett. Aber das hier gerade fand ich etwas dreist.“

Ihr Motto lautet: „Safety first!“

An der Endhaltestelle Ostbahnhof angekommen, hat Petra Roth nur eine kurze Pause. Die Verspätung muss ausgeglichen werden. „Aber wenn ich aufs Klo muss, dann muss ich. Das ist dann halt so, dann gehe ich auch“, sagt sie. „Als Busfahrerin ist meine Blase aber trainiert.“ Falls es dann doch mal sein muss, befindet sich die Toilette in einem kleinen Container, den die Mitarbeitenden als Pausenraum nutzen können. Davor reihen sich die „Hummeln“, wie sie die dicken gelben Busse nennt. Nach einer schnellen Kippe geht’s zurück Richtung Storkower Straße.

 Als Busfahrerin ist meine Blase trainiert.

Petra Roth

„Das Wichtigste ist für mich, sicher von A nach B zu kommen“, sagt Roth, während sie den Bus geschmeidig durch den Verkehr lenkt. „Ick hab extrem viel Verantwortung für die Menschen, ich fahr’ schließlich keine Kartoffeln rum.“ Sie bremst sanft. Für ihren Fahrstil bekäme sie viel Lob. „Sie fahren wie Butter“, habe ein Fahrgast zu ihr gesagt. „Da musste ich erstmal drüber nachdenken. Butter fährt ja nicht, Butter läuft.“ Petra Roth schmunzelt. „Frauen wird ja häufig nachgesagt, dass sie besser fahren.“ Jetzt lacht sie.

Nur einmal bremst sie abrupt und hupt, als ein BMW probiert, sich auf die Abbiegerspur zu drängeln: „Ich hasse solche Situationen. Aber ich kann auch nicht immer nachgeben.“ Auch wegen solcher kleinen Momente käme es zu Verspätungen.

Unfälle hat sie auch schon gehabt in ihren fast 16 Jahren im Berliner Verkehr. Und ab und zu müsse auch mal ein Seitenspiegel dran glauben. „Das passiert halt, aber lieber ein Spiegel als ein Fahrgast“, sagt sie.

Zweimal sei sie von Fahrgästen bedroht worden: „Äußerlich war ick ruhig, aber innerlich …“ Sie legt die Hand aufs Herz. Damals seien ihre Kollegen zur Hilfe geeilt, bevor etwas passieren konnte. Petra Roth glaubt nicht, dass aggressive Fahrgäste ein Grund für den Personalmangel seien. Sie macht andere Dinge dafür verantwortlich: Die Schichtzeiten würden zum Beispiel viele Kolleginnen und Kollegen stören. Das gesamte Leben für die Arbeit umzustrukturieren, fiele vielen schwer. „Da merkt man dann erstmal, wer die richtigen Freunde sind, wenn man nicht mehr denselben Tagesablauf hat“, erzählt sie aus eigener Erfahrung.

Online streikt sie mit

Obwohl sie am Freitag nicht mit streiken kann – indirekt ist Roth schon dabei. Sie ist Teil eines von „Fridays for Future“ produzierten Videos mit dem Motto „Wir fahren zusammen, wir streiken zusammen“. 60 Lokalgruppen der Klimabewegung unterstützen die Mitarbeiter des ÖPNV an diesem Freitag.

Mit zwei männlichen Kollegen stellt Petra Roth in dem Video die Schwierigkeiten des Berufs dar. Und fordert auch die Politik zum Handeln auf: „Die Regierung muss das nötige Geld investieren. Für den öffentlichen Nahverkehr. Und eine klimafreundliche Zukunft“, sagt sie.

Um 11.10 Uhr ist Roth mit ihrem Bus wieder an der Endhaltestelle Storkower Straße. Es bleibt kurz Zeit für eine Zigarette. Danach öffnet sie die pinke Brotdose, in der sich Salami- und Schmalzstullen stapeln. Schnell beißt Roth in eins der Brote und muss dann schon wieder weiter. Eine richtige Mittagspause hat sie nicht. Zeit zum Ausruhen oder Essen hat sie immer nur einige Minuten an den Endhaltestellen.

Auch das mache den Job so anstrengend, sagt Roth und fährt los. Sie hoffe, dass sich die Arbeitsbedingungen verbessern, damit sie den Job wie ihr Vater bis zur Rente machen kann. „Wenn mein Rücken das viele Sitzen noch so lange mitmacht“, schiebt sie hinterher.

An der Haltestelle Münsterlandplatz will ein älterer Herr aussteigen, einer von Roths Stammfahrgästen. Davor kommt er wackelig zur Fahrerkabine gelaufen und verabschiedet sich: „Es hat mich sehr gefreut, auf Wiedersehen.“ „Auf Wiedersehen und enen angenehmen Tag noch“, sagt Petra Roth lächelnd und lässt ihn vorne aussteigen.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de