German Masters im Tempodrom: Von Kunststößen und Menschentrauben

German Masters im Tempodrom: Von Kunststößen und Menschentrauben

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German Masters im Tempodrom: Von Kunststößen und Menschentrauben

Die besten Snookerspieler der Welt geben sich in dieser Woche die Ehre beim German Masters in Berlin. Dabei gab es schon vor dem Finalwochenende eine ganze Menge zu sehen.

Von Jörg Leopold

So ein Stoß gelingt selbst John Higgins nicht alle Tage. Der Altmeister war in seinem Viertelfinal-Match des German Masters am Freitag gegen Judd Trump hinter den Farben an der oberen kurzen Bande gesnookert und musste eine rote Kugel auf der anderen Seite des Tisches treffen. Was für Normalsterbliche eine nahezu unmögliche Aufgabe gewesen wäre, löste der viermalige Weltmeister Higgins auf beinahe schon magische Weise. Er spielte die weiße Kugel über die lange Bande und traf Rot dann so perfekt dünn, dass die sich von der unteren kurzen Bande löste und gemächlich in die Tasche rollte.

Higgins hatte seinem Spitznamen „The Wizard of Wishaw“ (Der Zauberer aus Wishaw) damit alle Ehre gemacht. Das Match allerdings verlor der 48 Jahre alte Schotte letztlich mit 2:5 und verpasste damit beim deutschen Vorzeige-Snookerturnier den Einzug unter die besten vier. Das Tempodrom bleibt damit für Higgins irgendwie verhext, noch nie hat er in Berlin das Halbfinale erreichen können. Dabei hatte er den Vorläufer des Turniers, damals die German Open, bei der Erstauflage 1995 und später noch einmal 1997 sogar gewinnen können. Diese Turniere fanden seinerzeit noch in Frankfurt beziehungsweise Bingen statt.

Seitdem hat sich einiges getan in Snooker-Deutschland. Inzwischen spielt man in einer der schönsten Locations auf der Weltsnookertour, zumindest beteuern das die Profis immer wieder aufs Neue. Und in dieser Woche waren sogar 72 Spieler am Start, anfangs wurde auf sieben Tischen parallel gespielt. Neil Robertsons zweites Match am Dienstag an einem der Nebentische wurde zu einer Art Happening. Bei seinem Sieg gegen den englischen Namensvetter Jimmy Robertson hatte sich auf der Tribüne daneben eine regelrechte Menschentraube gebildet, um den australischen Weltmeister von 2010 ganz hautnah zu erleben. Dem war das nicht entgangen, darauf angesprochen, entgegnete er: „Das war wirklich toll und es zeigt, welch einzigartige Atmosphäre hier herrscht.“

7 Tische standen in den ersten Tagen im Tempodrom, an den parallel 14 Profis spielten

Der Spielplan hatte für Robertson allerdings einige Tücken parat. Am Montagabend war er gegen Sanderson Lam ins Turnier gestartet, dieses Match war noch eines aus der letzten Qualifikationsrunde. Am Dienstag musste er dann gleich um 10 Uhr morgens wieder ran, ehe er am Mittwoch frei hatte, nur um am Donnerstag zwei Matches bestreiten zu müssen. Den Vergleich zur Weltmeisterschaft mit langen Duellen über viele Sessions und zuweilen Tage währenden Spielpausen kommentierte der 41 Jahre alte Linkshänder aus Melbourne wie folgt: „Es ist beides auf seine Weise herausfordernd. Aber wenn du weit kommen willst, dann musst du dich damit arrangieren.“ Bei Neil Robertson klappte das in Berlin nur bis zum Achtelfinale, in dem er schließlich Kyren Wilson unterlag.

Um zwei Tage auf nun sieben wurde das German Masters verlängert, von Dienstag bis Donnerstag gab es deswegen drei Sessions – morgens, nachmittags und abends. Auch für die Zuschauer, die anfangs noch grüppchenweise das Tempodrom besuchten, später aber die Arena immer mehr füllten, war es es nicht immer ganz einfach, dem Spielgeschehen in allen Ecken der Arena zu folgen.

German Masters im Tempodrom: Von Kunststößen und Menschentrauben

Sam Craigie stand am Samstagabend in seinem ersten Maintour-Halbfinale. Zuvor wären ihm beinahe ein Maximum Break gelungen.

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An jedem der Tische waren Monitore mit den Zwischenständen angebracht, dazu hingen überall große Bildschirme mit schier endlosen Zahlenreihen. Gelten die zentralen Plätze am Samstag und Sonntag in den Halbfinals und im Finale als die besten, sind sie es in den ersten Runden nur bedingt. Auch deswegen suchten die Zuschauer die Nähe ihres persönlichen Favoriten und verfolgten dann eben ihr eigenes Match des Tages.

Manchmal gab es dabei auch Kurioses zu sehen. Mark Allen beispielsweise griff nach einer verschossenen schwarzen Kugel einfach auf den Tisch nach einer roten und teilte dem Schiedsrichter damit auf recht rabiate Weise die Aufgabe des Frames mit.

Und dann war da auch noch Englands Sam Craigie, der am Samstagabend in seinem ersten Maintour-Halbfinale gegen Judd Trump antritt, nachdem er zuvor Titelverteidiger Allister Carter ausgeschaltet hatte. In diesem Viertelfinale war er im sechsten Frame nicht nur auf dem Weg zum Sieg, sondern lag zudem auf Kurs Maximum Break. Doch mit nur noch vier roten Kugeln auf dem Tisch unterlief ihm ein ungewöhnliches Missgeschick: Er lochte gleich zwei Rote mit einem Stoß ein, womit die Chance auf 147 Punkte am Stück zunichte gemacht war, weil er nach dem Treffer nur einmal Schwarz spielen konnte.

Auch dieser Stoß war einer, der selbst den Profis nicht alle Tage gelingt. Im Unterschied zum eingangs beschriebenen Kunststück von John Higgins, war der von Craigie so allerdings ganz und gar nicht gewollt.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de