Lindner und Buschmann blockieren: EU-Lieferkettengesetz droht an der FPD zu scheitern – Heil kommt entgegen

Lindner und Buschmann blockieren: EU-Lieferkettengesetz droht an der FPD zu scheitern – Heil kommt entgegen

© IMAGO/Emmanuele Contini

Update Lindner und Buschmann blockieren: EU-Lieferkettengesetz droht an der FPD zu scheitern – Heil kommt entgegen

Eigentlich stand der Deal in Brüssel schon. Doch jetzt stellen sich zwei deutsche FPD-Ministerien quer. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) schlägt einen Kompromiss vor.

Von

  • Felix Kiefer

Das geplante neue EU-Lieferkettengesetz droht an Deutschland zu scheitern. Das Bundesjustizministerium und das Bundesfinanzministerium könnten die Pläne nicht mittragen, verlautete am Donnerstag aus Regierungskreisen.

„Im Rat der Europäischen Union hat dies eine Enthaltung Deutschlands zur Folge, die im Ergebnis wie eine Nein-Stimme wirkt“, heißt es in einem Schreiben von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner (beide FDP), das dem Tagesspiegel vorliegt. Am 9. Februar soll die finale Abstimmung im Kreis der EU-Staaten stattfinden.

Für eine Verabschiedung der Richtlinie braucht es im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten eine qualifizierte Mehrheit. Dafür müssen mindestens 15 der 27 EU-Staaten, die gleichzeitig mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung ausmachen, den Plänen zustimmen. 

Steht das Lieferkettengesetz vor dem Aus?

„Mit der plötzlichen Vollbremsung auf den letzten Metern würde die FDP dem Ansehen Deutschlands auf europäischer Ebene schaden“, sagte Europaparlamentarierin Anna Cavazzini (Grüne). Aus Sicht der Verhandlungsführerin des Lieferkettengesetzes im Handelsausschuss stehe durch die Blockadehaltung rechter Regierungen im Rat das ganze Gesetzesvorhaben auf der Kippe. „Nun liegt es an der SPD und ihrem Kanzler, ein Machtwort zu sprechen“, sagte Cavazzini.

Ein EU-Diplomat sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass mit einer Enthaltung Deutschlands unklar sei, ob es unter den EU-Ländern jetzt noch eine ausreichende Mehrheit für das Vorhaben geben wird. Es gibt etwa Spekulationen, dass sich andere Länder an der Entscheidung Deutschlands orientieren und dem Vorhaben nun ebenfalls nicht zustimmen. Als Wackelkandidaten gelten neben Deutschland auch Italien, Schweden sowie Tschechien. Damit steht eines der Leuchtturmprojekte der EU-Handelspolitik auf der Kippe.

Nach Angaben eines weiteren EU-Diplomaten wird die belgische Ratspräsidentschaft das Vorhaben weiter vorantreiben. Es werde an einer Einigung gearbeitet, hieß es.

EU-Lieferkettengesetz soll Sozial- und Umweltstandards gewährleisten

Durch das EU-Lieferkettengesetz sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit der Einhaltung der Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung vereinbart sind.

Unterhändlerinnen und Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten hatten sich Mitte Dezember auf einen Kompromiss zu dem Vorhaben geeinigt. Seit einigen Tagen liegt zu dieser Einigung nun auch ein Gesetzestext vor. Auf dieser Basis erklärten die FDP-Minister ihr Nein. Dass sie dies öffentlich tun, während die Abstimmung in der Bundesregierung noch läuft, dürften SPD und Grüne als Affront werten. Ursprünglich war vorgesehen, dass das Bundeskabinett am Mittwoch seine finale Position zum Lieferkettengesetz festlegt.

Lindner und Buschmann blockieren: EU-Lieferkettengesetz droht an der FPD zu scheitern – Heil kommt entgegen

Automatische Containertransporter (AGV) sind auf dem Gelände des Containerterminal Altenwerder (CTA) unterwegs. Das EU-Lieferkettengesetz hätte für die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards sorgen sollen. Nun steht es auf der Kippe.

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In Deutschland gibt es bereits ein Lieferkettengesetz, die EU-Variante geht aber über die Vorgaben des deutschen Gesetzes hinaus. Das deutsche Gesetz gilt für Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden. Diese Grenze dürfte durch die EU-Version herabgesetzt werden. Außerdem ist vorgesehen, dass Unternehmen zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen und beispielsweise Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden können. Das ist im deutschen Lieferkettengesetz bislang ausgeschlossen. Bei Verstößen drohen Firmen laut der europäischen Richtlinie zudem Bußgelder in Höhe von bis zu 5 Prozent des Umsatzes.

Buschmann und Lindner fürchten um Bausektor

Buschmann und Lindner kritisierten, das EU-Gesetz werde dazu führen, dass Unternehmen für Pflichtverletzungen in der Lieferkette in erheblicher Weise zivilrechtlich haften. Außerdem wären deutlich mehr Unternehmen betroffen als nach aktueller deutscher Rechtslage. Auch der Bausektor solle als sogenannter Risikosektor eingestuft werden.

Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen in diesem bereits durch gestiegene Bauzinsen gebeutelten Bereich könne das existenzbedrohend sein. „Viele Betriebe verfügen unserem Eindruck nach schlichtweg nicht über die entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen“, argumentieren die Minister. „Es ist zu befürchten, dass künftig noch weniger gebaut würde in Deutschland.“

Arbeitsminister Heil macht FDP einen Kompromissvorschlag

Der beim EU-Lieferkettengesetz federführende Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) macht sich unterdessen weiter für das Lieferkettengesetz und eine deutsche Zustimmung stark. Heil stellt der FDP als Kompromiss Maßnahmen für den Abbau von Bürokratie in Aussicht.

Dem Bundeskabinett hat er entsprechende Eckpunkte präsentiert, sie liegen dem Tagesspiegel vor. Mit dem Entlastungspaket sollen auch einige Vereinfachungen, die das EU-Lieferkettengesetz gegenüber seinem deutschen Pendant bringt, in der nationalen Gesetzgebung umgesetzt werden.

Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) arbeiten weltweit weiterhin über 160 Millionen Kinder. Zwar ist die Zahl zwischen 2000 und 2016 um 94 Millionen gesunken. Zuletzt hat sich der Trend allerdings wieder umgekehrt, vor allem aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie.

„Unser Wertegerüst ist klar: Wir können und dürfen unsere Augen nicht vor Kinder- und Zwangsarbeit verschließen“, sagte Heil der „Augsburger Allgemeinen“. „Das sind die Argumente, mit denen ich noch einmal ausdrücklich für eine deutsche Zustimmung für die Lieferketten-Richtlinie werbe“, fügte er hinzu. (mit dpa)

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de