Dem Land ein neues Gesicht: So will die Regierung Einbürgerungen erleichtern

Dem Land ein neues Gesicht: So will die Regierung Einbürgerungen erleichtern

© Imago/Frank Peter

Dem Land ein neues Gesicht: So will die Regierung Einbürgerungen erleichtern

Am Freitag soll das neue Einbürgerungsrecht beschlossen werden. Die Union spricht vom „Verramschen“ des deutschen Passes. Was plant die Ampelkoalition und wem nützt es?

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Die Ampel-Koalition will an diesem Freitag ein Gesetzespaket verabschieden, das das Zeug hat, das Gesicht Deutschlands zu verändern: das neue Staatsbürgerschaftsrecht. Einbürgerungen sollen einfacher werden und deutlich schneller gehen. Außerdem wird die doppelte Staatsbürgerschaft auch für Nicht-EU-Bürger ermöglicht.

Lange haben SPD, Grüne und FDP um eine gemeinsame Position gerungen – und sie letztlich kurz vor Weihnachten gefunden. Die Union und die in weiten Teilen rechtsextreme AfD kämpfen gegen die neuen Regeln. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt etwa kritisierte die Pläne als „Verramschen des deutschen Passes“.

Das sieht der Gesetzentwurf zur Einbürgerung vor

Einbürgerungen sollen ab April schon nach fünf und nicht wie bislang nach acht Jahren möglich sein. Besonders gut integrierte Menschen können sich künftig schon nach drei statt bisher sechs Jahren einbürgern lassen – das gilt etwa für besonders gute Leistungen in der Schule oder am Arbeitsplatz.

Eine weitreichende Änderung ist auch, dass in Deutschland geborenen Kinder ausländischer Eltern künftig automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Voraussetzung dafür ist, dass ein Elternteil seit mehr als fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt.

Ein Beispiel: Wenn eine Asylbewerberin fünf Jahre in Deutschland lebt, kann ihr eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erteilt werden. Ihre Kinder kämen künftig als deutsche Staatsbürger zur Welt.

11 Millionen Menschen leben ohne deutschen Pass in Deutschland. Etwas mehr als Hälfte könnte an der Staatsbürgerschaft interessiert sein. 

Auch die doppelte Staatsbürgerschaft wird in Deutschland ermöglicht, so wie es auch in Frankreich, Italien, Portugal, oder Polen schon gehandhabt wird. Bisher war sie in Deutschland nur für EU-Bürger und Schweizer möglich. Künftig können alle Eingebürgerten ihren alten Pass behalten.

Menschen ab 67 Jahren müssen zukünftig keine formalen Deutschkenntnisse mehr nachweisen und auch keinen Einbürgerungstest mehr bestehen, wenn sie lange genug in Deutschland leben. Sie müssen sich lediglich „mündlich ohne Probleme verständigen“ können. Damit soll insbesondere der Gastarbeitergeneration die Staatsbürgerschaft ermöglicht werden. Das betrifft mehr als eine Million.

Auch eine Verschärfung ist geplant: Grundsätzlich soll nur die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, wer den Lebensunterhalt für sich und unterhaltsberechtigte Familienangehörige aus eigenen Mitteln bestreiten kann. Für Empfänger von Sozialleistungen – behinderte Menschen, Alleinerziehende, Arbeitslose oder Geringverdiener – soll nur noch eine sogenannte Ermessenseinbürgerung möglich sein. Hier entscheiden Behörden im Einzelfall.

Diesen Menschen nützt die neue Einbürgerungsregelung

In Deutschland leben heute elf Millionen Menschen ohne deutschen Pass. Etwas mehr als Hälfte könnte laut einer Erhebung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung an der Staatsbürgerschaft interessiert sein. Fast 1,5 Millionen Menschen leben seit über 40 Jahren ohne deutschen Pass im Land.

Rund 168.500 Menschen wurden im Jahr 2022 in Deutschland eingebürgert – deutlich mehr als in den Vorjahren. Die größte Gruppe waren Syrer. Zwischen 2000 und 2020 wurden rund 2,7 Millionen Menschen eingebürgert. Rund ein Drittel davon waren Türken. Bisher war der Anteil der Ausländer, die sich einbürgern lassen, in Deutschland im EU-Vergleich sehr gering.

Ich freue mich für viele Millionen von Menschen – vor allem auch für meine eigenen Eltern, die seit mehr als 30 Jahren in Deutschland wohnen, arbeiten und leben.

Adis Ahmetovic, SPD-Abgeordneter

Wie viele Menschen sich durch das neue Recht einbürgern lassen würden, ist derzeit schwer kalkulierbar – auch die Regierung betont das im Gesetzesentwurf ausdrücklich. Migrantenverbände gehen teils von einer Verdopplung der Anträge aus. In der Koalition besteht Sorge, dass besonders die Ausländerämter in den ersten Monaten stark überlastet würden. In vielen Städten arbeiten sie schon jetzt an der Belastungsgrenze.

Der SPD-Abgeordnete Adis Ahmetovic sagte dem Tagesspiegel: „Die doppelte Staatsbürgerschaft ist nicht nur ein ökonomisch sinnvolles Instrument zur zukünftigen Gewinnung von Fachkräften, sondern eine verspätete Anerkennung großer Leistung von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in Deutschland.“

Ahmetovics Eltern sind vor dem Jugoslawienkrieg aus Bosnien und Herzegowina nach Deutschland geflohen. Sein Vater arbeitete in seinem Heimatland als Verwaltungjurist, in Deutschland dann auf dem Bau und als Lagerist. „Ich freue mich für viele Millionen von Menschen – vor allem auch für meine eigenen Eltern, die seit mehr als 30 Jahren in Deutschland wohnen, arbeiten und leben“, sagte Ahmetovic. 

Das waren die Streitpunkte in der Koalition

Strittig war lange, ob man für einen deutschen Pass selbstständig für seinen Lebensunterhalt aufkommen muss. Hier hat sich die FDP letztlich gegen Grüne und SPD durchgesetzt. Allerdings werden die Ämter nun auf die Möglichkeit einer Ermessenseinbürgerung hingewiesen. Eine Ausnahme gibt es auch für Menschen aus der Gastarbeitergeneration.

Diskussionen gab es auch über eine sogenannte Antisemitismusklausel. Hier hat man sich darauf geeinigt, dass sich Einbürgerungswillige künftig zur „besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft und ihren Folgen, insbesondere für den Schutz jüdischen Lebens“ bekennen müssen.

Ebenfalls geeinigt hat man sich darauf, dass das Verweigern eines Handschlags zwischen Mann und Frau künftig nicht mehr per se ein Hinderungsgrund bei Einbürgerungen ist, wenn das zwingende Vorschriften einer Religionsgemeinschaft – etwa bei orthodoxen Juden oder im Islam – vorschreiben.

Das kritisiert die Opposition am neuen Einbürgerungsrecht

2,5 Millionen Menschen mehr als bisher erhalten durch das neue Staatsbürgerrecht die Chance auf einen deutschen Pass. Die Union kritisiert, dass gleichzeitig nicht genug für Abschiebungen illegal in Deutschland befindlicher Ausländer getan wird. Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sagt: „Die Regierung ändert mit der Staatsbürgerschaft nicht einfach nur ein Gesetz, sie will unsere Gesellschaft ändern.“

Die FDP hat ihr Versprechen gebrochen, dass jeder Eingebürgerte sein Gehalt eigenständig verdienen soll.

Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion

Throm rechnet damit, dass es künftig deutlich mehr Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit geben wird, die dann auch das Wahlrecht erhalten. Der CDU-Mann fürchtet, dass extremistische Parteien wie der deutsche Ableger von Erdogans AKP dadurch in den Bundestag oder das Europaparlament einziehen. Die Partei namens Dava tritt 2024 erstmals zur Europawahl an.

Auch die Ausnahmen bei der Einbürgerung von Sozialleistungsempfängern kritisiert die Union. „Die FDP hat ihr Versprechen gebrochen, dass jeder Eingebürgerte sein Gehalt eigenständig verdienen soll“, sagte Throm dem Tagesspiegel. Ehemalige Gastarbeiter können auch dann den deutschen Pass erhalten, wenn sie inzwischen staatliche Hilfen erhalten. Das sei „völlig unverständlich“, kritisiert der CDU-Mann.

Das denken die Deutschen über Einbürgerungen

Etwa die Hälfte der Menschen im Land befürwortet leichtere Einbürgerungen, das geht aus einer Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung hervor. Ein Drittel lehnt die neuen Regeln klar ab. Nur rund 43 Prozent der Menschen befürworten den Doppelpass, 37 Prozent lehnen ihn ab. Der Rest ist unentschieden.

Besonders kritisch wird die Absenkung der Anforderungen an die erforderlichen Sprachkenntnisse für ältere Personen gesehen. Deutlich über die Hälfte der Menschen lehnt das ab. Ein Drittel findet die Regel gut.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de