Frankreichs Premier Attal bei Scholz: Antrittsbesuch in einer kritischen Phase

Frankreichs Premier Attal bei Scholz: Antrittsbesuch in einer kritischen Phase

© REUTERS/Benoit Tessier

Frankreichs Premier Attal bei Scholz: Antrittsbesuch in einer kritischen Phase

Die Liste der Streitpunkte im deutsch-französischen Verhältnis ist lang. Dabei kommt es gerade jetzt auf eine gute Zusammenarbeit zwischen Berlin und Paris an.

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Empfang mit militärischen Ehren und ein gemeinsames Abendessen im Kanzleramt – Olaf Scholz (SPD) nimmt sich an diesem Montag viel Zeit für Gabriel Attal, den neuen französischen Premierminister. Attals Antrittsbesuch beim Kanzler hält allerdings auch einigen Gesprächsstoff bereit – vom Protest der Landwirte in beiden Ländern über gemeinsame Rüstungsprojekte bis zur militärischen Hilfe für die Ukraine.

Zwar ist Scholz‘ entscheidender Gesprächspartner in Paris Staatschef Emmanuel Macron, den der Kanzler zuletzt beim EU-Gipfel vergangene Woche in Brüssel getroffen hat. Der Premierminister hat in Frankreich eine dem Präsidenten untergeordnete Rolle. Trotzdem wird der Besuch des Anfang Januar ernannten 34-jährigen Regierungschefs eine weitere Gelegenheit bieten, um möglicherweise in einigen strittigen deutsch-französischen Dossiers voranzukommen.

7Milliarden Euro Militärhilfe will Deutschland in diesem Jahr für die Ukraine bereitstellen.

So hat beispielsweise der Protest der Landwirte offengelegt, dass Scholz und Macron eine ganz unterschiedliche Sicht auf das geplante EU-Handelsabkommen mit den südamerikanischen Ländern Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay haben. Diese Länder sind im Mercosur-Verbund zusammengeschlossen. Auf europäischer Seite kann das geplante Abkommen erst ratifiziert werden, wenn alle 27 Staaten zustimmen. Während Scholz die Handelsvereinbarung begrüßt, forderte Macron beim EU-Gipfel deren Neuverhandlung.

Hintergrund sind die Demonstrationen der Landwirte, die sich im Nachbarland auch gegen die EU-Mercosur-Vereinbarung richten. Zwar haben die Bauern in Frankreich inzwischen ihren öffentlichen Protest beendet. Das ändert aber nichts an ihrer Befürchtung, dass ihre Produkte mit billigerem Zucker, Geflügel und Rindfleisch aus den Mercosur-Staaten beim Preis nicht mithalten können. Die Landwirte in Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay profitieren davon, dass ihre Umweltauflagen niedriger sind.  

Frankreichs Premier Attal bei Scholz: Antrittsbesuch in einer kritischen Phase

Frankreichs Verteidigungsminister Sébastien Lecornu hat die Lieferung weiterer Waffen an die Ukraine angekündigt.

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Beim EU-Gipfel wurde Scholz in der abschließenden Pressekonferenz auch gefragt, ob er mit dem Verlauf der Diskussion um die Militärhilfe für die Ukraine zufrieden sei. „Ich sehe sehr genau, dass viele jetzt noch einmal ihre eigenen Entscheidungen überdenken“, hatte Scholz geantwortet. Auch wenn es nach seinen Worten nicht darum ging, „irgendein einzelnes Land oder auch nur viele Länder öffentlich zu kritisieren und vorzuführen“, so zielte das auch in Richtung Frankreich.

Während die Bundesregierung für dieses Jahr mit einer Militärhilfe von sieben Milliarden Euro für die Ukraine plant, sollten nach Meinung des Kanzlers auch andere EU-Länder – darunter eben auch Frankreich – ihre Militärhilfe für die Ukraine aufstocken. „Tun alle Mitgliedstaaten genug, was die Waffenhilfe betrifft?“, fragte Scholz. „Das ist nicht der Fall“, fügte er hinzu.

In Paris wird hingegen der Vorwurf zurückgewiesen, nicht genügend bei der Waffenhilfe zu tun. Im vergangenen Monat hatte Frankreichs Verteidigungsminister Sébastien Lecornu die Lieferung von 78 weiteren Haubitzen vom Typ Caesar an Kiew angekündigt. Außerdem soll die Ukraine von Frankreich rund 40 weitere Marschflugkörper vom Typ Scalp sowie Hunderte Luft-Boden-Raketen des Typs A2SM erhalten.

Attals Antrittsbesuch in Berlin fällt in eine kritische Phase. Vier Monate vor der Europawahl haben die Regierungsparteien in beiden Ländern mit einem Erstarken von Parteien am rechten und rechtsextremen Rand zu kämpfen. In Deutschland liegt die AfD auf dem zweiten Platz. In Frankreich liegt der rechtspopulistische „Rassemblement National“ sogar auf dem ersten Platz.

Zudem wird das deutsch-französische Duo angesichts des Szenarios, dass der ehemalige US-Präsident Donald Trump aus der Wahl im November als Sieger hervorgehen könnte, unter Handlungsdruck gesetzt. Bei einem Besuch in Schweden kam Macron jüngst auf die möglichen Folgen für Europa zu sprechen. Europas Verteidigungsindustrie müsse die Lücke bei der militärischen Hilfe für die Ukraine füllen, falls die Unterstützung aus den USA geringer werden sollte, mahnte Macron. „Die Ukraine liegt in Europa“, sagte Frankreichs Präsident zur Begründung.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de