Die Liberalen am Limit: Wie das Ampel-Regierungsbündnis bröckelt

Die Liberalen am Limit: Wie das Ampel-Regierungsbündnis bröckelt

© imago/Chris Emil Janßen/IMAGO/Chris Emil Janssen

Die Liberalen am Limit: Wie das Ampel-Regierungsbündnis bröckelt

Es kracht in Berlin, es kracht in Brüssel. Die FDP zeigt in der Ampel kaum noch Kompromissbereitschaft. Doch was wollen die Liberalen und was ist ihre Strategie?

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Wieder einmal soll ein Selfie es richten. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) posieren vor einer holzvertäfelten Wand im Kanzleramt, offenbar vor der Kabinettssitzung der Bundesregierung. Der Post beginnt mit dem Emoji einer Rakete, dann folgt ein Lob auf ein neues Start-up-Gesetz der Koalition. „Good News“, schreiben die beiden.

Das Selfie ist ein Signal: an all jene, die wollen, dass die FDP ernsthaft über einen Ausstieg aus der Ampelkoalition nachdenkt. Wie „Welt“-Chefredakteur und prominenter FDP-Unterstützer Ulf Poschardt, der der Partei in einem Kommentar genau das nahelegte. Und an jene, die inzwischen daran zweifeln, dass die Regierung überhaupt noch kompromissfähig ist. Die FDP ist unzufrieden in der Koalition. Ob sie bereit ist, das Unglück bis zum Ende der Legislaturperiode zu ertragen, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Wir müssen in der Koalition auf Sicht fahren, und jederzeit bereit sein, die Koalition zu beenden und in Neuwahlen zu gehen.

Frank Schäffler (FDP), bekannt als Euro- und Heizungsrebell

Fragt man sie selbst, verneinen sie. Ein Ausstieg aus der Ampel? Weit hergeholt! Doch für die Hypothese sprechen einige Indizien. Zum Beispiel, dass die FDP sich einmal mehr in der Rolle der Blockiererin gefällt.

Die FDP gefällt sich in der Dagegen-Haltung

Berlin, auf dem Europaparteitag der FDP vor einer guten Woche. Fraktionschef Christian Dürr steht auf der Bühne. Die Flottengrenzwerte, die regeln sollen, wie viel einer LKW-Flotte klimaneutral sein sollten, nennt Dürr ein „absurdes System“. Es solle ein „sehr klares Signal“ dagegen geben, sagt er.

Der Parteitag beschließt folgenden Satz ins Programm zu schreiben: „Wir werden die Flottengrenzwerte ersatzlos abschaffen.“ Eine Woche später blockiert Deutschland eine EU-Einigung, der die Bundesregierung zuvor zugestimmt hatte.

Ebenfalls auf EU-Ebene hatte sich die Bundesregierung zuvor dagegen ausgesprochen, den Vergewaltigungsparagrafen zu verschärfen. FDP-Justizminister Marco Buschmann begründete dies mit europarechtlichen Bedenken. Doch einen alternativen Vorschlag unterbreitete die Bundesregierung nicht.

Bei der EU-Lieferkettenrichtlinie ist sich die FDP immerhin einig. Nicht nur Lindner und sein Vertrauter Buschmann sind dagegen, auch die Europa-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und der stellvertretende Parteichef Johannes Vogel, beide gelten eher als Ampel-Befürworter.

Dass SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil die Blockade „ideologisch motiviert“ nannte, könne Vogel nicht verstehen, sagt er: „Das, was Hubertus Heil ideologisch motiviert nennt, ist übrigens Teil der Arbeitsgrundlage dieser Koalition: Im Belastungsmoratorium hatte sich die Regierung darauf verständigt, bürokratische Belastungen abbauen zu wollen.“ Er sagt, es sei „richtig“, dass die FDP sich dem verpflichtet fühle.

Minister der FDP füllen oppositionelle Rolle aus

Anders als in der Vergangenheit, kommt der Protest der FDP gegen die Regierung nicht aus der Mitte der Fraktion, sondern der Ministerriege. Vor wenigen Tagen schrieb Buschmann einen Brief an Habeck. Es sind kleine Gemeinheiten in dem Brief versteckt. Ihn würde interessieren, ob das Wirtschaftsministerium schon „konkrete Regelungen“ für das Vergabeverfahren erarbeitet hat. Handschriftlich schrieb er unter den Brief: „Wir müssen beim Bürokratieabbau noch schneller vorankommen!“ Das sei ein „Konjunkturprogramm zum Nulltarif“.

Dazu kommt das Interview von Lindner im Handelsblatt. Der Standort sei „nicht mehr wettbewerbsfähig“. Er legt nach: Es sei „unvorstellbar“, dass diese Analyse nicht zu politischen Änderungen führe. Wie aber ein Ausweg aus der Misere aussieht, darüber herrscht völlige Unklarheit.

In der Partei glauben manche, dass es der Beginn einer Exit-Strategie sein könnte. Frank Schäffler, bekannt als Euro- und Heizungsrebell, sagt: „Wir müssen in der Koalition auf Sicht fahren, und jederzeit bereit sein, die Koalition zu beenden und in Neuwahlen zu gehen.“ Es klingt nicht nach mehr Konzilianz.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de